Donnerstag, 27. November 2014

Gender und Homosexualität: zwei Seiten einer Medaille oder zwei einander ausschließende Konzepte?

Antwort auf Jürgen Niebeckers Blogbeitrag auf "Kirche, Kreuz und Kreuzkümmel": Gender? – Nur schwarz-weiß gedacht?


Peccator quidam Georgio Niebecker s.p.d.

Vielen herzlichen Dank für Jhre klare und unpolemische Auseinandersetzung mit der Gendertheorie! Die Beiträge des Pfarrers, deren Kritik Sie als Gerüst verwenden, sind ausgezeichnetes Anschauungsmaterial zu den populären Jrrtümern über die Gendertheorie. Er steht mit diesen Jrrtümern nämlich keineswegs alleine, sondern die meisten "Gender-Laien" haben solche und ähnliche falsche Vorstellungen; darunter sind sowohl viele Kritiker des Genderismus als auch die meisten von denen, die es als ihre Aufgabe sehen, die Welt in ihrem Einflußbereich gerechter zu machen, indem sie versuchen, die scheinbaren Erkenntnisse der Gendertheorie zu implementieren.

Jch selbst habe während meines Studiums interessehalber viele Veranstaltungen in Gender studies besucht. Man sollte wissen, daß auch auf diesem Gebiet ernsthafte und interessante Forschung betrieben werden kann und auch betrieben wird. Die Beschäftigung mit der Geschichte der Geschlechterrollen hat mir persönlich sehr geholfen, die heutige Geschlechterproblematik sowohl im allgemeinen als auch im Privaten besser zu verstehen, und sie hat mich -- das mag vielleicht überraschen -- mit zu der Erkenntnis geführt, daß es die Lehre der Kirche ist -- mit der ich damals auf diesem Gebiet sehr hadderte --, die dem gesunden Verhältnis der Geschlechter untereinander und des Einzelnen zu seiner Geschlechtlichkeit am besten entspricht. Zur Geschlechtergeschichte kann ich übrigens insbesondere die Arbeiten von Heide Wunder sehr empfehlen, die sich mit dem Verhältnis von Mann und Frau in der Frühen Neuzeit befaßt.

Ein besonders interessantes Ergebnis der methodischen Geschlechterforschung ist die Tatsache, daß es tatsächlich ein Gender, eine Geschlechtsidentität, gibt, die nachweislich sozial konstruiert ist: Es ist die Homosexualität, wie sie heute verbreitet gesehen wird. Da sich diese Geschlechtsidentität und -rolle erst seit Ende des XIX. Jahrhunderts entwickelt hat (selbst das Wort 'homosexuell' ist nicht älter), lassen sich Genese und Veränderungen der Bilder von Homosexualität sehr gut historisch fassen.

Die Geschichte der Homosexuellenbewegung ist ein äußerst interessantes Zusammenspiel aus revolutionären und subversiven Elementen mit dem Wunsch nach Anerkennung in der bürgerlichen Gesellschaft. Die bürgerliche Ehe und Kleinfamilie wirkte einerseits als Folie und wurde immer stärker abgelehnt, wirkte aber anderseits stets teils bewußt, teils unbewußt, stark vorbildhaft auf das Selbstbild der Homosexuellenbewegung. Die Blüte dieser Wirkung sehen wir heute, wo mit dem Recht auf Adoption durch homosexuelle Paare nichts anderes als das Recht auf die bürgerliche Kleinfamilie gefordert wird.

Die historische Aufarbeitung der Homosexuellenbewegung begann in den neunziger Jahren. Jnteressanterweise scheint die Erkenntnis, daß die Homosexualität, wie sie uns heute verbreitet entgegentritt, stark in einige feministische Zweige der Genderforschung gewirkt zu haben: dieser Spezialbefund wurde dankbar aufgegriffen und -- allein aufgrund theoretischer Überlegungen -- auf alle Geschlechterrollen verallgemeinert, was der Befund aus den empirischen Untersuchungen über die Sexus (natürlichen bzw. biologischen Geschlechter) Frau und Mann jedoch keineswegs zuläßt.

Jnteressant ist, daß im Augenblick bei uns zwei spekulative Lehren im Schwange sind, die per se unvereinbar einerseits miteinander, anderseits mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften sind, nämlich der Genderismus und der Homosexualismus.

Es gehört zu den Grundannahmen der Homosexuellenbewegung, daß Homosexualität eine natürliche, angeborene und unabänderliche Disposition sei, die auszuleben für die Betroffenen nicht nur naturgemäß, sondern auch notwendig zur Erfüllung ihrer Wesensbestimmung und damit zur Erlangung ihres persönlichen Glückes sei. Die gesellschaftliche Anerkennung dieser Annahme ist, nebenbei bemerkt, ein höchst verständlicher Wunsch jedes Menschen, der sich unter dieser Prämisse einer homosexuellen Neigung ausgesetzt sieht.

Die Gendertheorie auf der anderen Seite will die Anerkennung ihrer eigenen Grundannahme durchsetzen, die derjenigen des Homosexualismus genau entgegensteht: Die Gendertheorie sieht ja die Geschlechterrollen und -identitäten gerade als ausschließlich sozial konstruiert, erworben und veränderlich an und vertritt damit genau das Gegenteil dessen, was sich die Homosexuellenbewegung wünscht.

Geradezu frappant erscheint vor diesem Hintergrund, daß Genderismus und Homosexualismus im allgemeinen nicht als unvereinbar angesehen werden -- ja die meisten Gender-Laien, die etwas auf sich halten, vertreteten beide Lehren zugleich, ohne die Diskrepanz zu bemerken. Der revolutionäre Charakter beider Jdeologieen, der Wunsch nach der Verbesserung des menschlichen Lebens mit weltlichen Mitteln und die soziale Erwünschtheit beider Theorieen scheinen auszureichen, damit viele Menschen ihnen voreilig zustimmen, ohne die Sache zuende zu denken.

Das kann nur an mangelndem Wissen über entweder die Gendertheorie oder die Jdeologie der Homosexuellenbewegung liegen oder -- was wohl auf die meisten Fälle zutrifft -- an mangelndem Wissen über beides. Diese Annahme bestätigt die Tatsache, daß die meisten, die diese Jdeologieen in die Tat umsetzen wollen, z.B. Verfertiger etwa von Leitfäden zur Gendergerechtigkeit in Sprache und Umgang, weder Soziologen noch Sprachwissenschaftler sind, sondern Pädagoginnen, Politologinnen und Verwaltungsbeamtinnen, also Leute, die gendertheoretische Laien sind (sich aber zur Volkserziehung berufen fühlen; scnr).

Eine bessere Aufklärung über Genderismus und Homosexualismus, und zwar über die Vermittlung der Ergebnisse der methodischen historischen und soziologischen Geschlechterforschung, läge im unbedingten Jnteresse aller beteiligten Gruppen, die nicht wissenschaftlich mit dem Thema befaßt sind:

- der Verfechter des traditionellen Familienbildes,
- der Familien selbst, vor allem, wenn sie Jugendliche zu erziehen haben,
- der Frauen und Feministinnen,
- derjenigen, die berufen sind, gesellschaftlich wirksam zu sein, etwa der Lehrer, der Frauenbeauftragten usw.,
- der Christen, die durch die Prävalenz von Genderismus und Homosexualismus im alltäglichen Leben an der christlichen Sexuallehre und damit an der Lehre der Kirche überhaupt irre werden,
- und vor allem derjenigen, die in ihrer Verwirrung über die eigene Sexualität von Homosexualismus und Genderismus zur Verfolgung unwerter Ziele und damit zu einem unglücklichen Leben verführt werden.

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